Trümmerkarneval

Die Düsseldorfer sind in jenen Tagen mit Überleben beschäftigt, die Situation in der Stadt verschlimmert sich rapide. Der Winter 1946/47 gehört zu den härtesten des Jahrhunderts, im November bricht in Düsseldorf die Brotversorgung zusammen, die Schulspeisung muß eingestellt werden, der Kölner Kardinal erlaubt in seiner Silvester Predigt den Mundraub: ein Volk lernt das „Fringsen".

Anfang 1947 lebt der Durchschnittsrheinländer von ca. 800 Kalorien. Es gibt nichts zu essen, nichts anzuziehen; die amtliche Bekleidungsstelle kann z. B. im Februar für 430 000 Düsseldorfer ganze zwei Taschentücher zur Verfügung stellen ...

Die Selbstmordrate in der britischen Zone steigt Jahr um Jahr. Und das Düsseldorfer Karnevalslied reagiert. „Donn doch keene Däu an" (1948) erzählt die Geschichte von einem Lebensmüden, der sich in den Rhein stürzen will: „Hä stond zum Sprong schoon op de Bröck, als ein en Stemm zureef: Donn doch keene Däu an / Maak doch kei Gedöns / Fang doch widder neu an / Et hölft nix, wennste stöhns."

Für die meisten Düsseldorfer bleibt tatsächlich nur der Blick nach vorn, Galgenhumor und ein bitteres „Trotz alledem" gehören zum Alltag der Trizonesier. Auch der Karneval dient da dem Überleben, selbst wenn er kaum so fidel wie früher gefeiert werden kann. Hoppeditz erwacht im Ruinen-Düsseldorf nicht mehr auf dem Marktplatz, sondern in der Rheinhalle. Am 10.11.1948 resümiert die „Rheinische Post": „Jetzt geht man in den Saal, um die Tümmer nicht zu sehen. Das ist gut so, denn wir wollen nicht rückwärts, sondern vorwärts sehen."

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