Narretei kam auf Touren

Nach Kriegs- und Krisenzeiten


Musikanten beim neuen "Zoch"-Auftakt Ende der 20er Jahre
Musikanten beim neuen "Zoch"-Auftakt Ende der 20er Jahre

In Kriegsjahren und anderen Krisenzeiten pflegt sich der karnevalistische Spaß an der Freud' verständlicherweise auf ein Minimum zu reduzieren, um hernach allerdings um so lebhafter wieder aufzublühen. Nach dem dänischen und dem preußisch-österreichischen Krieg (1864 und 1866) erfreuten bald Sitzun gen, Rosenmontagszug, Korso und außerdem Operetten im Alten Theater am Marktplatz, zu denen die Eintrittskarten verlost wurden. Nach 1870/71 - der Geislersche Saal, der Vorläufer der Tonhalle, eines der närrischen Zentren der Stadt, war damals vorübergehend Lazarett, und bei einer Redoute. kamen dort im zweiten Jahr allerlei Täler zur "Pflege. verwundeter durchpassierender Truppen" zusammen - ging es nicht ganz so forsch bergauf. Da durch Schrumpfung des "Allgemeinen Vereins" eine starke, organisierende Hand fehlte, fiel so mancher Rosenmontagszug aus. Nach 1914-18 waren karnevalistische Veranstaltungen - ebenso wie Schützenfest und Kirmes - zunächst behördlicherseits verboten. Der "Allgemeine Verein" versuchte die Schranke 1919 durch einen "Humoristischen Abend" unter dem Motto "Düsseldorf im Zeichen des Kabaretts", die Große Karnevalsgesellschaft, für kurze Zeit Gesellschaft Düsselfreunde, 1920 durch einen Ball zu umgehen, Die "Vereinigten Düsseldorfer Karnevalsgesellschaften", ein Sammelbegriff, unter dem die junge Narrenzunft die kleineren Vereine zusammenführte, vermochte unter den Beschränkungen ebenfalls nicht recht karnevalistisch Schritt zu fassen. "Statt der Pflege alten Brauchtums", so ein Beobachter der Szene, "entwickelte sich in Kabaretts, Dielen, Tanzlokalen ein oft schrankenloses Vergnügungsleben." Der Karneval aber blieb verpönt. Die Absicht, gemeinsam mit Köln und anderen rheinischen Städten und nicht zuletzt den Schaustellern, die in einer noch übleren Lage waren, die Zustände zu ändern, führten auch nicht zum Ziel. Doch allmählich schien der Widerstand der Behörden nachzulassen.

Trotz neuer Schwierigkeiten kam der Karneval während der französischen Besetzung (1921-1925) endlich wieder, wenn auch langsam, auf Touren. Auf einen Generalappell des "Allgemeinen Vereins" und der Großen Karnevalsgesellschaft im Dezember 1924 in der Brauerei "Zum Schiffchen" erklärten sich zahlreiche Büttenredner und Liederdichter bereit, die jecke Fröhlichkeit neu ankurbeln zu helfen. Schon ab 1925 ging es, mit amtlicher Billigung, in großen und kleinen Sälen und Vereinen der Stadt so hoch her, als wäre nie etwas gewesen. Sitzungen der damals führenden beiden Gesellschaften, vor allem der "Großen", bei der unter der Präsidentschaft des schon seit 1900 im Winterbrauchtum aktiven Eduard Czwoydzinski der Kaisersaal der Tonhalle oft die anströmenden Besuchermassen nicht zu fassen vermochte, wurden auch im Rundfunk übertragen.

Ein Kongreß der rheinischen Karnevalsgesellschaften, von der Düsseldorfer Narrenzunft anläßlich der "Gesolei", der unvergessenen Großen Ausstellung für Gesundheitspflege, soziale Fürsorge Lind Leibesübungen, im Juli 1926 veranstaltet, ebnete wieder den Weg für Rosenmontagszüge und öffentliches Karnevalstreiben. Frühere Vereine lebten wieder auf, neue gesellten sich hinzu. Mit Genugtuung ist in alten Unterlagen registriert, daß nun auch die bis dahin passiv eingestellte Presse endlich mitzog und in ihr durch fleißige Berichterstattung in Wort Lind Bild "dem Karneval ein mächtiger Helfer erstand".

Im Januar hatte es im Blätterwald allerdings noch ein bißchen negativ gerauscht. "Die wirtschaftliche Not, unter der weiteste Volkskreise schwer leiden, und das Unglück, das unsere engere Heimat darüber hinaus durch das Rheinhochwasser betroffen hat, sollten lärmende Ausgelassenheit und närrische Vergnügungen verbieten", schrieb eine Düsseldorfer Zeitung. "Niemand", hieß es einschränkend, "wünscht dem natürlichen Frohsinn entgegenzutreten. Karnevalistische Übertreibungen aber widersprechen dem Ernst der Zeit. Von dem gesunden Sinn der Bevölkerung erwartet die städtische Verwaltung eine vernünftige Selbstbeschränkung. Sie hofft, daß von einem Übermaß karnevalistischer Veranstaltungen freiwillig Abstand genommen wird."

In den dennoch anhaltenden närrischen Aufwind gerieten zusätzlich Kunstakademie, Künstler, Schützen, Gesang- und andere Vereine, die eigene Sitzungen Lind Kostümbälle inszenierten - nicht immer zur Freude der organisierten Jecken, die auf "Reinerhaltung" des überlieferten Brauchs bedacht waren und teils in öffentlichen Erklärungen ihr Mißfallen formulierten.

Aber schon 1928 wurde der Karneval teilweise wieder in Frage gestellt. Vom wirtschaftlichen Standpunkt aus, war zu lesen, könne man sich für ihn nicht begeistern. Auf eine oder eineinhalb Wochen beschränkt, wäre er sicher ein Volkstest für alle. "Aber drei Monate und noch mehr sind", kritisierte die "Düsseldorfer Lokalzeitung", "zu viel vom ganzen Jahr, das dem Vergnügen unter Aufopferung der produktiven Arbeitszeit, der Gesundheit und der Familienabende gewidmet wird." Nichts gegen den Karneval hatte man offenbar bei pekuniärem Gewinn: "Wenn durch ihn der Fremdenverkehr belebt, wenn die Wirtschaft von Auswärtigen mehr befruchtet als durch den örtlichen Arbeitsverlust geschwächt würde." Desungeachtet dauere er jedenfalls zu lang und habe "zu breite Schichten erfaßt". Den "führenden Düsseldorfer Persönlichkeiten" wurde empfohlen, darüber einmal nachzudenken und entsprechende Konsequenzen zu ziehen. "Während des tollen Treibens hört man nichts von Steuerdruck, Wohnungsnot, Zerrissenheit des Volkes, bevorstehenden Wahlkämpfen, deren Ausgang im schlimmsten Falle den langsam sich wieder erhebenden Volkswohlstand erschüttern kann." Und auch das noch: Nach Fastnacht "liegt der Rheinländer im Kater schlapp und willenlos auf der Ruhebank und läßt erst sechs Wochen lang willen- und geistlos, bis er wieder zu denken vermag, Gottes Wasser über Gottes Land ziehen".

Die Miesepeter behielten erfreulicherweise nicht die Oberhand. Die Mehrheit rief immer lauter vor allem nach dem Rosennumtagszug. Ein spezielles Komitee, in dem sich im Herbst 1927 die Karnevals- und Heimatvereine, die Künstlerschaft und das Städtische Presse- und Verkehrsamt als federführende Institution zusammengefunden hatten, brachte drei Züge auf die Beine, die von Zeitgenossen als wohlgelungen gelobt wurden. Motto war 1928 "Düsseldorf, wie et wor, wie et es, wie et wöhd" - der "Zoch" lockte sogar 70 000 Fremde, vor allem aus dem Bergischen Land und den Niederlanden, in die Stadt. 1929 folgte "Karikadz" = "Karikatur der Zeit" und 1930 "Märchenzauber - alte, moderne und Zukunftsmärchen".